Und dann ist auf einmal alles wieder wie früher, aber doch anders

Da laberst du dir fast zwei Jahre lang regelmäßig einen Wolf und erläuterst Gott und der Welt, wie toll, anstrengend, unvergleichlich, nervig, glückselig und launisch dein Leben verlaufen kann, wenn du dich dafür entscheidest, aus dem traditionellen Familienschema auszubrechen, um entgegen aller gesellschaftlichen Normen ein Leben als Vollzeitvater zu führen.

Du quälst dich zu unzähligen Kinderarztbesuchen, obgleich du Ärzte genau so leiden kannst wie schales Bier. Zusammenhängender Schlaf von mehr als drei Stunden existiert es in deiner Welt nicht mehr. Verantwortung ist zu mehr als einem bloßen Wort gewachsen, dass du im Job gepredigt hast, wenn es darum geht, Aufgaben zu „deinem“ Projekt zu machen – lange bevor Hornbach damit auf Kundenfang ging. Angst ist zu einem ständigen Begleiter geworden, wobei es inzwischen gar nicht mehr um dich selbst geht. Generell ist das so eine Sache mit dem Ego. Versuch mal an das Beste für dich selbst zu denken, wenn du dich selbst gar nicht mehr als wichtig erachtest.

Wenn es eine Sache gibt, die dein Leben von Grund auf verändert, dann ist es das Vatersein – gewollt oder ungewollt spielt dabei keine Rolle. Also, ich meine die Veränderung an sich, die dich erfasst, nicht das (un)gewollte „Vaterwerden“. Egal ob ein, zwei, drei oder ein Dutzend Kinder dein Leben bereichern: Your life will never be the same again.

Back to Business

Urplötzlich kommt der Tag, an dem du wieder in dein „altes“ Leben zurückkehrst. In den Beruf. In welchen auch immer. Was das für mich bedeutete? Du tauschst 24 Stunden Fremdbestimmtheit am Tag gegen 24 Stunden Fremdbestimmtheit. Hmm, klingt irgendwie vertraut. Stellt sich in der Realität aber völlig anders dar.

Schauen wir uns die Protagonisten dieser beiden so unterschiedlichen „Konzepte“ einmal genauer an. Dort, auf der einen Seite: Komplett missratene Geschöpfe, die den ganzen Tag lang genau DIE Dinge tun, die ihnen top-down – also von ganz oberster Stelle – untersagt werden. Und trotzdem dabei noch Spaß daran haben und dich auf jede erdenkliche Weise verspotten. Und auf der anderen Seite: Angestellte.

Grundsätzlich lassen sich bei der Beurteilung der wichtigsten Wohlfühl-Kernkriterien relativ offensichtliche Unterschiede im Leben eines Angestellten und eines Vollzeit-Familienvaters definieren:

Arbeitszeiten

Ein Vertrag ist ein Vertrag ist ein Vertrag. Aber egal, was du in einem Arbeitsvertrag an zu leistender Arbeitszeit definiert hast, in manchen Positionen, Branchen und Unternehmen ist es üblich und sogar erforderlich getrocknete Tinte auf einem Stück Papier nicht so ernst zu nehmen. Auch wenn mal ein, zwei, drei oder zwölf Überstunden pro Woche oder Tag anfallen, irgendwann kommst du immer gesund und heil nach Hause (außer du bist Praktikant bei Merrill Lynch, dann solltest du auf jeden Fall sofort kündigen. Das gilt übrigens auch für Morgan Stanley, Goldman Sachs, Deutsche Bank. Die Liste ist lang, bloß weg da!), machst dir dann ein Bier auf und genießt die immer größer werdende Vielfalt an Video-on-Demand und Pay-TV-Angeboten, bis dir die Neppen zufallen und du halb drei auf allen Vieren in dein Bett kriechst, bis kurz nach 5 das iPhone klingelt und du komplett ausgeschlafen und voller Schaffensdrang in den neuen Tag startest.

Dummerweise ist die Zeit des „Ausschlafens“ mit der Geburt deines erstes Thronfolgers gegessen. Für immer. Durchschlafen ist nur noch ein Produkt deiner kranken Phantasie des Normalseins. Memo an mich selbst: „Ich bin zu alt, um 3 Uhr morgens aus einer schäbigen Hafenkneipe nach Hause aufzubrechen, um um 8 Uhr fit im Büro zu sitzen.“

Fazit: Jeder Job ohne Kinder ist einfacher als jeder Job mit Kindern!

Autorität

Autorität hat man oder man hat sie nicht. Die Busfahrerin neulich, die die gackernden 12-jährigen Pseudo-Heidi Klums zusammengepfiffen hat, jaaaaaaaaa, die hatte was an sich, das kannst du nicht mit Worten beschreiben.

Auch in dem ein oder anderen Bürojob kommt es vor, dass man sich mit Vorgesetzten auseinander zu setzen hat, die autoritäre Führung entweder bei der Bundeswehr (oder der NVA) direkt mit der Muttermilch aufgenommen haben oder generell ein gestörtes Verhältnis zu flach-hierarchigem, kollaborativem Denken und Arbeiten entwickelt haben. Folgender Spruch – das Original dabei leicht adaptiert – mit warnendem Timbre hing mehr als einmal in meinen Büros:

Es ist dem Untertanen untersagt, den Maßstab seiner begrenzten Einsicht an die Handlungen der Obrigkeit anzulegen.

Geschenkt. Nicht jeder autoritäre Autokrat am Arbeitsplatz ist auch gleich ein schlechter Mensch. Denn diejenigen, die ihre überbordende Autorität mit fachlichen Wissenslücken kombinieren, die sind mir sogar sympathisch. Nach dem Motto: Absolut sicheres Auftreten trotz völliger Ahnungslosigkeit. Respekt!

Aber sitz‘ mal deiner 2-Jährigen Auge in Auge gegenüber, nachdem sie das vierzehnte Puzzlebuch unreparierbar vernichtet hat. Weißt du, was deine eigene elterliche Autorität dann noch ausrichten kann?! Einen Scheiß. Dünn. Ziemlich dünn. Auch wenn du sauer bist wie eine ganze Horde Kramp-Karrenbauers auf Friedrich Merz‘ Beliebtheitswerte. Du verlierst.

Da hilft auch keine autoritäre Mimik, egal ob von Hannibal Lecter, Rocky Balboa oder Queen Elizabeth II geliehen. Du wirst einfach ausgelacht. Gar nicht mal offensichtlich, sondern hinterrücks. Im Verborgenen. Wenn du doch wieder den Abendbrottisch alleine deckst und die Brote schmierst. Und das Krokodil spielst, dass die Kröten anschließend ins Bett jagt. Verloren hast du. Wie Holland jedes WM-Finale. Einfach chancenlos. Besserung in Sicht? Nicht in diesem Leben! Autorität ist wie das Pfeifen im Walde.

Aufmerksamkeit

Ja, kommen wir mal zu den positiven Seiten des täglichen Arbeitens – z.B. der Heimkehr. Stellt euch vor, ihr seid ein Schrank und eure Kinder kommen nach Hause. Sehen den Schrank. Denken: „Aha, der Schrank. Kenn‘ ich. Steht da schon immer. Laaaaaaangweilig.“ So ungefähr fühlst du dich, wenn du deine Kinder täglich betreust.

Du bist mutiert. Zum Inventar. Wie eine Schraube im Baumarkt. Du bist immer da. Bei Regen und Sonne. Wenn der HSV schlecht spielt oder wenn er grottenschlecht spielt. Du bist immer da. Niemanden überrascht es, wenn man dich findet. Oder hast du schon mal bei Bauhaus jemanden schreien hören: „Wooooooow, du verdammte Blechschraube, hab ich dich endlich!“ Du bist eine Schraube unter vielen. Viel Spaß beim Durchdrehen.

Auf der anderen Seite: Kannst du dir auch nur im Ansatz vorstellen, was deine genetischen Nachfolger für eine Party veranstalten, wenn du sie nach 24 Stunden fortwährender Abwesenheit kurz vor der eigentlichen Nachtruhe mit deiner Anwesenheit beglückst? Da explodieren alle Synapsen, schwinden alle Hemmungen, lösen sich alle emotionalen Ketten. Die Kleider reißen sie dir vom Leib vor lauter Ekstase!

Und im Büro: „Moin. Du auch hier? Ist noch Kaffee da? Wie geht’s? Ja, muss ja. Bis dann.“

Welcome back im grausigen Leben der hart-arbeitenden Bevölkerung!

Veröffentlicht von

rabaukenpapa

Stolzer Dreifach-Papa und CFO (Chief Family Officer), weil gesegnet mit Thronfolger und Zwillings-Prinzessinnen. Vor dem Papa-Job ein Jahrzehnt in der Kommunikation und Werbung tätig, dabei erinnerte Vieles oft an Kindergarten, den ich jetzt 24/7 real zuhause habe.

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